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Patrick Fischer im Interview«Deshalb wirken Deutsche auf uns oft so arrogant»

Patrick Fischer: «Ich wurde zum Teamplayer ausgebildet. Wenn ich das Problem bin, bin ich weg.»

Patrick Fischer, sind Sie ein geduldiger Mensch?

Ganz ehrlich: nein. Aber ich bin dran, es zu lernen. Geduld ist etwas vom Schwierigsten für uns Menschen. Insbesondere für Sportler. Wir wollen sofort Resultate sehen. Wenn du in den Kraftraum gehst, willst du etwas merken. Aber meine Rollen als Nationalcoach und Vater eines dreijährigen Mädchens lehren mich, Geduld zu haben.

Für die Spieler folgt nach einer Niederlage meist bald das nächste Spiel. Sie müssen als Nationalcoach ein Jahr warten, bis Sie sich für den verlorenen WM-Viertelfinal rehabilitieren können. Wie gehen Sie damit um?

Ich sagte zu Muri (Yakin): Zum Glück bin ich nicht Fussballnationalcoach. Sonst müsste ich vier Jahre warten auf die nächste WM. (lacht) Ich bin nun schon in meinem neunten Jahr als Nationaltrainer. Am Anfang war es für mich mühsam, so lange warten zu müssen auf das nächste grosse Turnier. Aber es lohnt sich nicht, sich darüber aufzuregen. Natürlich ist es frustrierend, wenn du ein bitteres Aus verdauen musst und weisst: Jetzt hallt das wieder ein Jahr lang nach. Und immer wieder wirst du danach gefragt, musst dich erklären. Aber das ist Teil meines Jobs. Also lerne ich Geduld.

Wie tun Sie das?

Als Nationalcoach habe ich die Zeit, alles so richtig zu analysieren. Für uns endete ja bisher jede WM mit einer Niederlage. Ob das im Viertelfinal war oder im Final. Oder schon früher, wie bei meiner ersten WM (2016 in Moskau). Ich analysiere die Dinge gern eingehend. Aus meiner Sicht gab es von Jahr zu Jahr einen Schritt vorwärts. Wir mussten immer wieder neue Dinge integrieren.

Zum Beispiel?

Am Anfang merkte ich: So, wie ich spielen lassen will, müssen wir viel fitter sein. Dann mussten wir lernen, die Intensität hochzuschrauben im Vergleich zur Liga. Früher wurden wir energetisch dominiert. Heute ist es das Gegenteil. Wir dominieren die meisten Gegner. Dann wurden wir zu passiv, wenn wir in wichtigen Spielen wie vor zwei Jahren gegen Deutschland führten. Wir waren uns noch nicht gewöhnt, in Viertelfinals zu führen. Letztes Jahr wurden mit der ganzen Covid-Geschichte viele krank vor dem Viertelfinal. Daraus lernten wir, dass wir unsere Planung mehr nach hinten ausrichten müssen, um dann am Tag X fit zu sein. Diesmal waren wir körperlich mega fit vor dem Viertelfinal. Und die Stimmung war gut vor dem Match gegen Deutschland. Aber dann passierte etwas Negatives, und auf einen Schlag waren wir blockiert.

Seit der Silbermedaille von 2018 in Kopenhagen ist das Resultat immer das gleiche: Die Schweizer scheitern im Viertelfinal. An fünf grossen Turnieren in Serie.

Das stimmt. Aber wie gesagt: Wir entwickeln uns ständig weiter. Wenn wir die ganze Zeit einen Gugus zusammenspielen würden, wäre es etwas anderes. An den letzten beiden Weltmeisterschaften haben wir in der Vorrunde 13 von 14 Spielen gewonnen. Jetzt müssen wir es einfach noch in der K.-o.-Phase schaffen. Diese Blockade zu lösen, ist der letzte Schritt – und der schwierigste. Wenn alle Scheinwerfer auf dich gerichtet sind: Bleibst du dann klar in deinen Gedanken? Oder hemmt dich das? Da stehen wir nun. Wir sind Pfadfinder. Wir können niemanden fragen: Wie wird man mit einer Schweizer Mannschaft Weltmeister? Das hat noch niemand geschafft. Da scheitern wir alle. Ob im Fussball, im Unihockey, im Handball. Deshalb musste ich mich im Ausland erkundigen. Wenn ich den kanadischen Coach frage, sagt der: «Wer ausser uns soll das Turnier gewinnen?» Das ist ihr Mindset. So denken Champions.

«Wenn Lara Gut-Behrami selbstbewusst hinsteht, wird sie sofort kritisiert.»

Ist das Problem die viel zitierte Schweizer Mentalität?

Ich liebe eigentlich unsere Mentalität. Unsere Bescheidenheit. Aber im Sport hilft sie nicht. Da geht es darum, hinzustehen und sich zu zeigen. Das ist nicht typisch schweizerisch. Wir sind zurückhaltend. Vielleicht wegen der Berge, die uns umgeben. Wenn Lara Gut-Behrami selbstbewusst hinsteht, wird sie sofort kritisiert. In Amerika ist das ganz normal. In Deutschland auch. Deshalb wirken Deutsche auf uns oft so arrogant. Vielleicht müssten sie von uns etwas mehr Bescheidenheit lernen und wir von ihnen etwas mehr Selbstbewusstsein. Schweizer Teams haben in grossen Spielen bisher oft versagt. Das ist leider die Wahrheit. Wir haben Einzelsportler, die anders sind. Aber Mannschaften bringen es einfach nicht auf die Reihe.

Nach dem verlorenen WM-Viertelfinal sagten Sie, Sie wollten zuerst das Vertrauen der Mannschaft spüren, bevor Sie entscheiden würden, ob Sie weitermachen. Dachten Sie tatsächlich daran, den Bettel hinzuschmeissen?

Ich wurde von klein auf zum Teamplayer ausgebildet. Ich bin Teil dieser Mannschaft. Wenn ich das Problem bin, bin ich weg. Darum war es mir wichtig, von den Spielern zu wissen: Haben wir sie richtig vorbereitet? Glauben sie an den Coaching-Staff? Natürlich nervte es mich gottsjämmerlich, dass wir es wieder nicht gepackt hatten. Ich war sehr froh, dass ich das Vertrauen der Spieler spürte und von Lars Weibel (dem Direktor der Nationalteams).

Skeptischer Blick: In Riga scheiterte Patrick Fischer mit den Schweizern erneut im WM-Viertelfinal.

Ihr Vertrag läuft nur noch bis Ende Saison. Möchten Sie ihn bis zur Heim-WM 2026 verlängern?

Mein Fokus gilt ganz der nächsten WM. Natürlich wäre ich hoch motiviert, im eigenen Land coachen zu dürfen. Aber ich kann das nur mit guten Resultaten positiv beeinflussen. Ich kenne das Business. Es ist Druck vorhanden.

Wurden noch keine Gespräche geführt?

Natürlich stehe ich mit Lars (Weibel) im Austausch. Aber wir befinden uns im Umbruch. Der neue Verwaltungsratspräsident (Stefan Schärer) muss zuerst alles kennen lernen. Wenn ich das Vertrauen spüre und alle wollen, dass ich nach der WM weitermache, dann: «Let’s go». Aber zuerst konzentriere ich mich voll und ganz aufs nächste Turnier. Dann schauen wir weiter.

«Meine Tochter weckt den Beschützerinstinkt in mir. Ich nehme meine Rolle als Vater nun viel bewusster wahr.»

Sie konnten sich einst nicht vorstellen, Nationaltrainer zu werden, bezeichneten sich als Luftibus. Nun sind Sie seit neun Jahren im Amt. Wie haben Sie sich verändert?

Ein Luftibus? Was ist das überhaupt? Jemand, der überall herumschwirrt? Ja, ich bin ein neugieriger Mensch. Ich liebe das Eishockey, schaue aber über den Tellerrand hinaus und interessiere mich für andere Dinge im Leben. Man wird älter, reifer, ruhiger und hoffentlich auch schlauer. Ich bin definitiv ein besserer Coach geworden. Wir funktionieren allgemein als Coaching-Staff sehr gut. Als junger Trainer bin ich da relativ schnell hineingerutscht. Ich durfte viel lernen und versuche, in der Kommunikation schlauer zu sein als früher. Es ist anders, wenn sich das ganze Land für dich interessiert. Allgemein stehe ich viel stabiler im Leben als noch vor zehn Jahren. Ich bin sehr zufrieden und dankbar, habe eine megaschöne Familie und einen wunderbaren Beruf. Vor acht, neun Jahren war es noch etwas turbulenter.

Sie sprachen eingangs Ihre Rolle als Vater an, die Sie Geduld lehrt. Ihr Sohn Kimi ist 22, Ihre Tochter Oceania kam vor gut drei Jahren zur Welt. Wie war es für Sie, nochmals Vater zu werden? Erleben Sie es nun anders?

Ich liebe meine beiden Kinder über alles. Ich bin Kimis Vater, doch wir sind auch beste Freunde. Mit meiner Tochter ist es anders, sie weckt den Beschützerinstinkt in mir. Ich nehme meine Rolle als Vater nun viel bewusster wahr. Vor 22 Jahren war ich noch auf der Suche nach mir selbst gewesen und steckte mitten in meiner Aktivkarriere. Ich war viel mehr mit mir selber beschäftigt als jetzt. Ich bin extrem dankbar, durfte ich es nochmals erleben. Es heisst ja, das beste Alter, um Vater zu werden, liege so zwischen 30 und 35 Jahren. Also habe ich es total falsch gemacht. Ich wurde mit 25 Vater und dann nochmals mit 45. (lacht) Aber ich geniesse es in vollen Zügen.